Nachhaltigkeit aus Sicht der östlichen / buddhistischen Philosophie

Was sagt die buddhistische Philosophie zu Umweltschutz und Nachhaltigkeit? Mit dieser Frage hat sich Claudia Drachsler-Prassler (seit mehr als 30 Jahren praktizierende Buddhistin) bei unserem plastikfreien Stammtisch am 20. Januar auseinandergesetzt. Bei diesem philosophischen Thema konnten die Teilnehmer*innen einen Einblick gewinnen, was sie selbst tun können, um durch ihre innere Einstellung die Welt nachhaltiger zu machen. Denn der Buddhismus betont den grundlegenden inneren Wandel des Menschen, der zu selbstmotivierten Veränderungen führen kann und damit auch zu einem nachhaltigeren Lebensstil. Er geht vom unerschöpflichen Potential des Menschen aus und glaubt an die Fähigkeit zur Transformation basierend auf dem Respekt allem Leben gegenüber.

Die Soka Gakkai als glücksbringende buddhistische Philosophie

Claudia gehört der Soka Gakkai International (SGI) an, einer buddhistischen Vereinigung, die den Nichiren Buddhismus ausübt und in deren Mittelpunkt die Wertschätzung allen Lebens steht. SGI zählt weltweit rund 12 Millionen Mitglieder in 192 Ländern, die davon überzeugt sind, dass individuelles Glück und die Verwirklichung einer friedlichen Welt untrennbar miteinander verbunden sind. 

Als Nichtregierungsorganisation ist die SGI mit den Vereinten Nationen verbunden. In den Bereichen Menschenrechtserziehung, nachhaltige Entwicklung und Abrüstung arbeitet sie mit verschiedenen Organisationen und Glaubensgemeinschaften zusammen. 

Die humanistische Philosophie der SGI steht in der Tradition von Buddha Shakyamuni, der vor rund 2.500 Jahren in Indien den Buddhismus begründete. Im Lotos-Sutra, der zentralen Schrift der buddhistischen Mahayana-Lehre, betonte er, dass die Würde allen Lebens unantastbar ist und jeder Mensch ein unermessliches Potenzial besitzt: die Buddhanatur.

Der japanische Mönch Nichiren entwickelte im 13. Jahrhundert eine einfache buddhistische Ausübung: Durch das Rezitieren (Chanten) von Nam-Myoho-Renge-Kyo, dem Titel des Lotos-Sutra, können wertvolle Eigenschaften der Buddhanatur wie Mitgefühl, Weisheit und Mut gestärkt und im Alltag gelebt werden. Mehr zur den Wurzeln zeigt dieser Film.

Verbundenheit mit allen Menschen und der Natur

Der buddhistische Gelehrte Nichiren aus dem 13. Jh. war von dem unermesslichen Potential jedes einzelnen überzeugt. Ihm zufolge ist die Erleuchtung etwas, das jeder Mensch und jedes Lebewesen als Potzenzial in sich trägt und jederzeit hervorrufen kann. Da wir alle oberflächlich gesehen unterschiedliche Wesen, aber in der Tiefe des Lebens miteinander verbunden, ja eins sind, strahlt unsere eigene Entwicklung auf unsere Umgebung aus. Unser Leben ist niemals getrennt von dem, was um uns herum passiert.

Daher ist es in der buddhistischen Lehre ganz selbstverständlich, mit seiner Umwelt achtsam und respektvoll umzugehen. Viele buddhistische Prinzipien erklären den Zusammenhang zwischen den inneren und den äußeren Prozessen. Sie fordern uns immer wieder auf, bei uns selbst zu beginnen und unsere „zerstörerischen Grundsätze, die wir in unserem Herzen hegen“ zu verändern. Also unsere Ich-Bezogenheit zu überwinden und unsere grundlegenden Wertvorstellungen zu überdenken.

In der Chara der SGI ist unter anderem festgelegt: „Wir glauben, dass der Nichiren-Buddhismus, eine humanistische Philosophie allumfassenden Mitgefühls und tiefen Respekts für die Unverletzbarkeit des Lebens, jeden Menschen befähigt, die ihm innewohnende Weisheit hervorzubringen, um die Schwierigkeiten und Krisen, denen sich die Menschheit stellen muss, zu überwinden und eine Gesellschaft friedlicher Koexistenz zu verwirklichen….“

Was tun Buddhisten in Sachen Nachhaltigkeit? 

Die (SGI) fördert die Ziele für nachhaltige Entwicklung, die Bildung für Nachhaltigkeit und den Schutz der natürlichen Umwelt. Dazu zählen Projekte und Institutionen wie das Soka Institute for Environmental Studies und Research of the Amazon.

Derzeit läuft in ganz Europa eine Dialog-Kampagne (Dialogues for Justice-Kampagne) der Studentenabteilung der SGI, um die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) zu unterstützen. Die Teilnehmer*innen ermutigen jeweils drei Menschen in einem Herz-zu-Herz-Dialoge, dass es möglich ist, durch die Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele weltweit ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen und dabei gleichsam die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft zu bewahren. Jede und jeder einzelne von uns kann etwas zu dieser positiven Veränderung beitragen. Bisher wurden weltweit über 11.000 Dialoge geführt, davon mehr als 500 Dialoge in Deutschland. Mittels einer App werden die Dialoge gezählt.

Zudem unterstütz die Soka Gakkai seit Juli 2020 zusammen mit der International Tropical Timber Organization (ITTO) die Wiederherstellung der Wälder in Togo, Westafrika. Ein Wiederaufforstungsprojekt, das Einkommensmöglichkeiten für Frauengruppen in zwei ländlichen Gebieten Togos schaffen soll.

Seit 1983 richtet der SGI-Präsident Daisaku Ikeda jährlich zum 26. Januar, dem Gründungstag der Soka Gakkai International, einen Friedensvorschlag an die Vereinten Nationen, worin er die aktuelle Lage der Welt aus humanistischer wie aus buddhistischer Sicht analysiert und konkrete Maßnahmen zur Lösung globaler Probleme vorschlägt. Der Friedensvorschlag für 2021 findet sich in Englisch hier.

Tägliches Chanten als Glücksversprechen an uns selbst

Die buddhistische Ausübung besteht im Wesentlichen darin, kurze Abschnitte aus dem Lotos-Sutra zu rezitieren und den Sutra-Titel Nam-Myoho-Renge-Kyo zu chanten. Außerdem das Studieren der buddhistischen Philosophie und der Austausch mit anderen.

Nam-Myoho-Renge-Kyo ist der Ausdruck unserer Entschlossenheit, die eigene Buddhanatur in unserem Leben zum Vorschein zu bringen. Das konzentrierte Chanten gleicht einem Versprechen an uns selbst, alle Schwierigkeiten zu überwinden und sogar Leid in Glück zu verwandeln. Gleichzeitig ist es ein Versprechen, anderen zu helfen, dieses Gesetz in ihrem eigenen Leben zu entdecken und ebenfalls glücklich zu werden.

Nam
stammt aus dem Sanskrit „Namas“ und bedeutet ich glaube, ich vertraue oder ich widme mich.

Myoho
Myo steht für die mystische Natur des Lebens, den unsichtbaren Wesenskern allen Lebens. Ho bedeutet Gesetz und steht für die wahrnehmbaren, sichtbaren Manifestationen des Lebens.
Myo bedeutet auch Tod, während Ho für das Leben steht.
Durch das Chanten erfahren wir die drei Wirkweisen von Myo: Wir öffnen unser Herz und unser Leben, erkennen, dass wir als Menschen vollkommen zum Glücklichsein ausgestattet sind und können unsere ursprüngliche Kraft wiederbeleben.

Renge
bedeutet Lotos-Blume. Ungeachtet des sumpfigen Grunds, in dem sie wächst, ist die Lotos-Blume wunderschön und duftend. Sie ist ein Bild für die Kraft der buddhistischen Ausübung: Inmitten der „schmutzigen“ Realität unseres Alltags können wir die Schönheit und Würde unserer Menschlichkeit zum Vorschein bringen. Schwierigkeiten und Leiden dienen dabei als „Nährstoffe“ für unsere Entwicklung als Mensch. Gleichzeitig verkörpert die Lotos-Blume das Prinzip der Gleichzeitigkeit von Ursache und Wirkung: Im Gegensatz zu anderen Pflanzen bringt sie zu gleicher Zeit Blüte und Frucht hervor. Für uns bedeutet das: Wir müssen nicht darauf warten, in der Zukunft zu einem perfekten Menschen zu werden, sondern können hier und jetzt die Kraft des Mystischen Gesetzes aus unserem Leben hervorbringen und anwenden.

Kyo
bedeutet wörtlich Sutra, Lehre oder auch Stimme. Das Mystische Gesetz durchdringt alles Leben und das gesamte Universum. Genauso verbindet sich der Klang unserer Stimmen beim Chanten mit dem Rhythmus des Universums.

Informationen und Literaturliste zum Buddhismus

Der Sitz von Soka Gakkai International – Deutschland ist in Mörfelden-Walldorf. Informationen gibt es auf der Webseite des SGI. Gerne könnt ihr Euch auch bei Fragen auch an Claudia Drachsler-Praßler wenden: Tel. 0171-1163647 oder per Mail.

Forum – ein Themenheft erscheint alle 2 Monate und ist als Einzelexemplar oder im Jahresabonnement erhältlich. 

Bücher:

Ernst Ulrich von Weizsäcker, Daisaku Ikeda: „Was sind wir uns wert? Gespräche über Energie und Nachhaltigkeit“, Herder Verlag, 2016

Daisaku Ikeda: Zukunft Leben, Buddhistische Antworten auf die Fragen der Jugend. München 2001

Daisaku Ikeda: „Das Buch vom Glück. Das buddhistische Verständnis von Leben und Tod.“ Herder Verlag, 2014

Daisaku Ikeda: „Gelassenheit. Buddhas Weisheiten fürs Leben.“ Herder Verlag 2017

Daisaku Ikeda: Humanismus: Ein buddhistischer Entwurf für das 21. Jahrhundert

Tina Turner „Happiness – mein spiritueller Weg“. Knaur Verlag 2020

Anja Kruse „Mein Weg mit Buddha“. mvg-Verlag, 2013

Sokashop: Dort kann man die zweimonatlichen Zeitschriften „Forum“, die Friedensvorschläge von Daisaku Ikeda und alle möglichen anderen Bücher und Artikel bestellen.

Vortrag von Yoshiharu Matsuno über den Nichiren Buddhismus und die Soka Gakkai, sehr ausführlich und super interessant

Video und Erklärung wie der Buddhismus in Krisenzeiten helfen kann

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